WERTschätzung im Job – Motivation und Demotivation

Josef Wegenberger

Fallgeschichte
Der Wecker klingelt um 4:30; es ist noch dunkel; meine Familie schläft noch. Still mache ich mir mein Frühstück und gehe aus der Wohnung. Im Stiegenhaus ist alles ruhig; die U-Bahn ist noch fast leer. Ich betrete das kleine Bürogebäude – noch niemand anwesend. Wie jeden Tag – Montag bis Freitag – richte ich mir meinen Putzwagen, Staubsauger und Abfallsäcke und mache mich auf den Weg in die einzelnen Büros.

Ich bin unsichtbar und soll es auch sein; wenn dann die „wichtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ und Kunden kommen, soll alles schön sein; niemand soll von meinem Anblick oder meiner Anwesenheit gestört werden.

Die Bürozimmer sind schön eingerichtet – in manchen ist alles für mich vorbereitet, so dass ich meine Arbeit verrichten kann; in anderen Büros habe ich den Eindruck, dass auf Sauberkeit und Ordnung kein Wert gelegt wird oder dass es sowieso „unsichtbare Subjekte gibt, die dazu da sind, … man hat ja was Wichtiges zu tun. In einem dieser sogenannten Büros sehe ich an der Pinwand einen Spruch: „Nur der Dumme braucht Ordnung, das Genie liebt das Chaos.“

  • Wird meine Arbeit WERTgeschätzt?
  • Werde ich WERTgeschätzt?
  • Wann wurde ich das letzte Mal gelobt?

Ich soll unsichtbar, still und heimlich meine Arbeit erledigen. Ein Gespräch, Rückmeldung zu meiner Arbeit bekomme ich selten und wenn, dann, wenn etwas nicht in Ordnung ist, wenn sich jemand, für mich unsichtbarer, über mich beschwert hat….

Die Fallgeschichte ist nicht erfunden, sondern wurde von A.M. im Rahmen eines Workshops zum Thema Unternehmenskultur erzählt und hat zum Nachdenken angeregt.

  • Haben wir teilweise zu wenig WERTschätzung?
  • Sind wir mit Kritik sehr schnell zur Stelle und wurde schon jemals jemand mit zuviel Anerkennung „zu Tode gelobt?“
  • Ist das Sichtbarmachen von Leistung ein Faktor, der zu Motivation beiträgt?
  • Ist „das Mitdenken“ für den anderen und „das Erleichtern“ nachgelagerter Tätigkeiten schon eine Form der Anerkennung?
  • Ist das achtlose Wegwerfen meines Mülls ein Nicht-achten andere Personen und damit eine Nichtbeachtung

Wir können die Aussagen / Fragen 5x mit JA beantworten.

Die Geschichte von A.M. geht noch weiter: Einige Monate nach diesem Kultur-Workshop erhalte ich einen Anruf und sie erzählt mir folgende Geschichte: „Nach unserem Treffen bin ich zum 1. Mal in meinem Leben geflogen. Ich habe die Flugbegleiter/innen beobachtet und mir gedacht, warum ist das Image von ihnen ganz anders, obwohl sie sehr ähnliche Tätigkeit machen, wie ich, Reinigung, Servieren, Müll wegräumen, Toiletten reinigen … – man sieht sie und ihre Leistung. Ich habe dann meinen Job gekündigt und bin jetzt in einem Unternehmen, wo ich tagsüber [sichtbar] tätig bin. Als man sich das 1. Mal bei mir bedankt hat, dass ich den Papierkübel ausleere, bin ich erschrocken und war den Tränen nahe …“.

Es stellt sich die Frage, wie wir Leistungen sichtbar machen können, wie wir, wahrscheinlich ganz einfach WERTschätzung ausdrücken können und damit die Motivation von Mitarbeiter/innen erhalten bzw. Demotivation verringern und verhindern können.

In unserem neuesten Buch beschreiben wir das BMM-Modell der Motivation in der Praxis.
(Wegenberger/Wegenberger. MOTIVATION | SINNvolle Förderung der Motivation)

 

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