Beurteilungsfehler

Oliver Wegenberger

Trifft man auf eine Person, können eine Reihe sogenannter Beurteilungsfehler zutreffen. So z.B. der berühmte „1. Eindruck“. Diese Beurteilungsfehler können in „jeder“ Situation auftreten, in welcher Menschen aufeinandertreffen. So auch in der Personalauswahl. Im Folgenden wird eine Auswahl von Beurteilungsfehlern näher beleuchtet.

Halo Effekt

Der Halo Effekt wurde erstmals von Edward L. Thorndike im Jahr 1920 beschrieben. Der Halo Effekt beschreibt, eine Situation, in welcher ein prägnantes Merkmal [z.B. eine bestimmte Kompetenz], weitere Merkmale „überstrahlt“. Von diesem „Überstrahlen“ leitet sich im Übrigen auch der Begriff „Halo-Effekt“ ab. „Halo“ bedeutet auf Deutsch „Heiligenschein“; also der Heiligenschein, welcher sprichwörtlich andere Merkmale überstrahlt.
Dabei kann die Wirkung Halo-Effekt sowohl in die positive, als auch in die negative Richtung gehen, also einzelne Merkmale positiv oder negativ „überstrahlen“.
Das bedeutet für die Praxis der Personalauswahl, dass eine einzelne, besonders gut ausgeprägte Kompetenz das Potential hat, weitere Kompetenzen zu „überstrahlen“. Dies trifft insbesondere auf Verfahren wie das Interview oder das Assessment Center zu. In diesen Verfahren ist die kommunikative Kompetenz sehr präsent und andere Kompetenzen können, sehr bildhaft ausgedrückt, „im Licht der kommunikativen Kompetenz ebenfalls strahlen“.

Empfehlung für die Praxis ist daher zu reflektieren:

  • Ist die Einschätzung von unterschiedlichen Kompetenzen gleichartig?
  • Ist eine Kompetenz besonders präsent?
  • Ist dadurch die Gesamteinschätzung der Kompetenzen beeinflusst?

Primacy und Recency Effekt

Damit sind der erste (primacy) und der letzte (recency) Eindruck, z.B. in einem Interview, gemeint, welche aufgrund ihrer speziellen Positionierung – zu Beginn oder zu Ende – besonderen Einfluss auf das Urteil nehmen können. Der Primacy Effekt beschreibt, dass sich ein Gesamteindruck schon sehr früh bildet und dieser in weiterer Folge „Bestätigung“ sucht [in Sinne einer „sich-selbst-erfüllenden-Prophezeiung“]. Der Recency Effekt beschreibt eine konträre Situation, dass sich lange Zeit kein klares Bild herausbildet und dadurch späte bzw. letzte Eindrücke besonders präsent im Gesamturteil wirken.
Für die Praxis der Personalauswahl heißt das, dass besonders erste und letzte Eindrücke reflektiert werden sollten, um somit einschätzen ob sie das Gesamturteil beeinflussen. Ist der erste/letzte Eindruck besonders gut/schlecht, sollte dieser primär als solcher gewertet werden – ein guter/schlechter, erster/letzter Eindruck.

Fundamentaler Attributionsfehler

Mit dem sogenannten Fundamentalen Attributionsfehler ist die Tendenz gemeint, Situationen als Verhaltensursachen zu unterschätzen, während Kompetenzen überschätzt werden. In anderen Worten, oftmals ist die Situation für eine Verhaltensweise entscheidend und die dahinterliegende Kompetenz einer Person. Klassisches Beispiel hierzu sind „verschränkte Arme“: diese Verhaltensweise in z.B. einem Interview heißt nicht zwingend, dass eine Person „verschlossen“ ist, dies kann auch darauf zurückzuführen sein, dass die Raumtemperatur [zu] niedrig ist [Situation].
Für die Praxis der Personalauswahl bedeutet dies, dass bei der Bewertung von Kompetenzen auch Situationsvariablen zu analysieren reflektieren sind. Um das obige Beispiel nochmal aufzugreifen – „kann es sein, dass es hier relativ kühl ist und deswegen die Person die Arme verschränkt hat?!“

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Quelle
Wegenberger, O., & Wegenberger, J. (2021). Talent- und Kompetenzmanagement: Eine anwendungsorientierte Perspektive. Springer Gabler.